Erste Ballonstarts in Augsburg
Mehrmals in der Geschichte der Ballonfahrt wurde die Aufmerksamkeit der Welt auf Augsburg und seine nächste Umgebung gelenkt. Erste Flugversuche wurden schon Jahre vor den anfänglichen Entwicklungen der Ballonfahrt um 1659 von Salomon Idler durchgeführt. Dieser wurde jedoch lediglich verspottet. Auch Joseph Karl Maximilian Freiherr von Lütgendorf wurde diese Anteilnahme nach seinen gescheiterten Flugversuchen mit einem Heißluftballon 1786 zuteil. Neben diesem grandios vermarkteten Flugversuch gelangen hier auch mehrere einzigartige, erfolgreiche Ballonstarts.
So ließen beispielsweise die Gebrüder Bader die Augsburger 1784 an der Faszination der Heißluftballons teilhaben und ließen einen ersten unbemannten Papierballon fliegen. Auch eine der ersten Ballonfahrerinnen hob von Augsburger Boden ab – Madame Bittorf stieg 1811 in die dritte Dimension auf und faszinierte damit alle Zuschauer. Sie flog mehrere Minuten lang und wurde bei ihrer Rückkehr in die Stadt jubelnd begrüßt.
Mit der Gründung der Ballonfabrik 1897 hielt die industrielle Fertigung der Ballons in Augsburg Einzug. Das Unternehmen steigerte schnell seinen Produktionsumfang und baute an mehreren auch heute noch bekannten Flugobjekten mit. So wurde hier auch der Ballon für den Stratosphärenflug von Auguste Piccard 1931 gefertigt. Mit diesem erreichte der Schweizer vom Betriebsgelände aus startend erstmalig die luftige Höhe von 15781 Metern, die damals größte je erreichte Höhe. Darüber hinaus beteiligte sich der Betrieb am Bau des Luftschiffes von Graf Zeppelin, das Berühmtheit erlangte. Später widmete sich die Firma neben der Luftfahrt auch der Seefahrt und produzierte eine breite Palette von Produkten, die bis zu Schlauchbooten reichte. Jäh beendet wurde die Produktion durch die Schließung im Jahr 2003 nach der Übernahme durch eine nordirische Firma.
Heute wird die Erinnerung an die Geschichte der Ballonfahrt besonders durch das Museum in Gersthofen hochgehalten. Neben der Ausstellung von zahlreichen historischen Exponaten wird hier im ehemaligen Wasserturm seit den 1980er Jahren den Besuchern die Thematik mit verschiedensten Methoden nähergebracht. Dabei lassen Filme, Hörspiele sowie originalgetreue Nachbauten die Besucher die Geschichte erleben und anfassen.
Pioniere der Luftfahrt & Ballonfahrt in Augsburg
Salomon Idler
An den Augsburger Flugpionier Salomon Idler erinnern heute noch die nach ihm benannte Straße im Augsburger Universitätsviertel sowie Gedenktafeln im Augsburger Rahmengartengässchen und an seinem Geburtshaus in Bad Cannstatt. Bekannt wurde er durch sein Vorhaben vom Augsburger Perlachturm mit selbstgebauten Flügeln herab zu fliegen.
Er wurde am 11. Februar 1610 in Cannstatt geboren. Später wanderte er als gelernter Schuster nach Augsburg aus und heiratete 1635 Justine Burkhartin eine Schusterswitwe, wodurch er das Bürgerrecht erhielt und die Werkstatt übernehmen konnte. Nachdem seine Frau nach wenigen Jahren verstarb heiratete erneut. Idler war gut angesehen in seiner Zunft, was sich dadurch ausdrückte, dass er einer der „Vorgeher“ war. Neben seiner Arbeit war er auch Poet, Possenreißer, Schauspieler, Tüftler und Flugpionier wie sich in einem Antrag von 1665 zeigte, in dem er darum bat mit seiner eigenen Truppe ein Stück im Stadttheater der Jakobvorstadt aufführen zu dürfen. Durch diesen Antrag wurde seine Flug-Episode nämlich bekannt, da sie Begründung für die Absage war. Von den „Meistersingern“ wurde eingeschätzt, dass er „hirnlos und luftsinnig“ sei, da er sich zwar das Fliegen vom Perlachturm ausreden lassen hatte, aber mit seinen selbst gebauten Flügeln trotzdem vom Dach eines Hauses startete und bei dem Sturz mehrere Hühner erschlug.
Wann genau dieser Flugversuch stattfand ist indes nicht übertragen, allerdings schließt der Augsburger Schriftsteller Oskar Rindt aber auf den Hochsommer 1659 als möglichen Zeitraum.
Baron von Lütgendorf
Mehr als hundert Jahre später kam mit Joseph Karl Maximilian Freiherr von Lütgendorf der nächste aufstrebende Flugpionier nach Augsburg. Dieser wollte sich aber nach Vorbild des Franzosen Jean-Pierre Blanchard Ruhm und Reichtum durch die Ballonfahrt mit einem Gasballon verdienen und zog deshalb von Regensburg nach Augsburg. Hier erhoffte er sich neben einer großen Menge an Zuschauern auch fähige Handwerker, die ihm seinen Ballon bauen konnten.
Sein erstes Gesuch an den Rat der Stadt um die Erlaubnis für den Bau und das Demonstrieren des neuartigen Flugobjekts wurde jedoch am 31. Januar 1786 abgelehnt. Wegen eines einflussreichen Gönners erhielt der Hofrat aus Regenburg am 11. Februar 1786 doch die Erlaubnis für sein Vorhaben.
So wurde, wie vom Baron von Lütgendorf geplant, der Ballon, dessen Nachbildung heute im Museum in Augsburg zu sehen ist, von Augsburger Handwerksmeistern gefertigt. Ein Schneidermeister namens Hunger fertigte aus zwölfhundert Ellen französischem Stoff die rot-weiß gestreifte Ballonhülle, in die 550 Kilogramm Wasserstoff gepasst hätten, die 600 Kilogramm Gewicht tragen könnten. Die Gondel wurde prachtvoll ausgestaltet. Am Bau, der vom Baron persönlich überwacht wurde, waren neben Bildhauern auch Goldschmiede beteiligt. Neben dieser optischen Ausgestaltung brachte Lütgendorf aber auch technische Neuerungen gegenüber dem Modell seines Vorbilds in den Entwurf ein. So plante er ein Rettungsnetz, ein „klingendes Ventil“, das jede Öffnung mit einem Ton untermalte, sowie zwei Manövrierruder für den Landeanflug.
Das Projekt wurde schon im Vorfeld grandios vermarktet. So wurden die Karten im Vorverkauf vertrieben, ein hölzernes Amphitheater mit über 14000 Plätzen gebaut, der Gönner des Barons, Rittmeister Karl August Strauss, ließ eine Gedenkmünze prägen, die „Augspurgische Ordinati Postzeitung“ veröffentlichte mehrere Artikel über das Projekts, ein Miniaturversuch sollte jegliche Zweifel über die Durchführung ausräumen und im ganzen Land verbreiteten sich Hymnen, Gedichte, Oden, Stiche und Flugblätter, die Freiherr von Lütgendorf schon als ersten deutschen Ballonfahrer feierten.
Der offizielle Starttermin des Versuchs wurde vom 24. Mai aus immer weiter bis auf den 24. August 1786 verschoben. An diesem Tag versammelten sich 100000 Menschen, die das Spektakel miterleben wollten, auch die Materialien – 24 Zentner rostfreie Eisenpfeilspäne und entsprechend viel Vitriolöl zum Erzeugen des benötigten Gases – waren geliefert. Doch das Wetter machte einen Aufstieg unmöglich, weshalb der Start noch einmal um zwei Tage verlegt wurde. Am 26. August jedoch musste der Versuch erneut abgebrochen werden, die Füllung wurde zwar begonnen, konnte aber nicht beendet werden, da ein Sturm aufzog. Der nächste Versuch am 28. August scheiterte jedoch genauso wie der letzte am 4. September, obwohl inzwischen ein extra angefertigter Windschutz das Wetter abhalten sollte. In beiden Fällen blähte sich die Ballonhaut nicht, wahrscheinlich war sie durch die vorangegangenen Anläufe schon zu sehr strapaziert worden, sodass sie nun zusammenklebte und von Säuren zerfressen war.
Der zuvor schon hochgelobte Lütgendorf wurde nun verspottet und vom Rat der Stadt aus Augsburg verwiesen. Doch er gab noch nicht auf. Mit seinem neuen Gönner, Bergrat von Riedel, startete der Baron im bayrischen Gersthofen am 27. Dezember einen erneuten Versuch. Dazu wurde alles überflüssige Gewicht von der Gondel entfernt um das Aufsteigen zu erleichtern.
Doch auch hier scheiterte das Projekt – diesmal an der Materialknappheit, denn es waren nicht genug Eisenpfeilspäne zur Erzeugung des Wasserstoffgases vorhanden. Über Nacht brach zudem ein Unwetter herein, sodass die Ballonhülle durch Regen und Sturm zerfetzt wurde und jegliche Hoffnung auf eine Ballonfahrt zunichte gemacht war. Lediglich Lütgendorf ließ sich nicht von seinem Traum abbringen und kündigte für den 20. Januar 1787 einen weiteren Versuch an, der jedoch nie durchgeführt wurde.
Gebrüder Bader
Schon vor Baron von Lütgendorfs Flugversuchen wurden in Augsburg „aerostatische“ Experimente durchgeführt. Die Gebrüder Bader – Buchbinder aus Ottobeuren – stellten einen Papierball nach Vorbild des Modells des Benediktinerpaters Ulrich Schiegg aus Ottobeuren her, der „gestern eine Luftkugel zu 100 Cubic Schuhen empor steigen“ ließ, wie die „Augspurgische Ordinari Postzeitung“ am 27. Januar 1784 verkündete. Vor Ihnen hatte auch schon der Mathematiker und Physiker Roman Freiherr von Schönau einen Ballon steigen lassen.
Angeregt wurden diese Versuche durch die Erfolge der Franzosen wie beispielsweise Joseph-Michel und Jacques Étienne Montgolfier, die im November 1782 einen ersten kleinen Heißluftballon steigen ließen. Rund ein Jahr später erhoben sich die ersten Franzosen – Pilâtre de Rozier und François d’Arlandes – in die Luft und eröffneten so die bemannte Luftfahrt.
Die Gebrüder Bader beschränkten sich jedoch auf die Demonstration der unbemannten Luftfahrt eines Papierballons. Nach Zeitungsangaben betrug dessen Höhe entweder 10 oder 17 Fuß und sein Durchmesser waren 10 beziehungsweise 12 Schuh. Mit etwa 20 m³ Inhalt war er nur wenig kleiner als sein Vorbild aus Ottobeuren, jedoch eindeutig zu klein, um einen Menschen tragen zu können. Gestartet wurde die Luftkugel am 19. Februar 1784 vom Fronhof. Nach Angaben der „Ordinari Postzeitung „erhob [sie] sich majestätisch und ziemlich gerade, nahm hierauf ihren Flug über die Stadt gen Süden und ward nach 4 bis 5 Minuten (freylich bey etwas neblichtem Himmel) auch dem schärfsten Auge unsichtbar“. Der Ballon landete in der Nähe der Siebentisch-Schänke am Ende der Ilsungstraße, dessen Betreiber den, zu Ehren der Stadt Augsburg in den Stadtfarben weiß-rot-grün gefertigten, unbeschädigten Ballon zum Holzwarthaus brachten.
Madame Bittorf
Die erste bemannte Luftfahrt von Augsburger Boden fand erst mehrere Jahre später, beinah unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. Nachdem mehrere Ankündigungen des „Mechanikus Bittorf“ eine bemannte Luftfahrt durchzuführen nicht umgesetzt wurden, flog Madame Bittorf am 5. Juni 1811 mit einem Papierballon eine Viertelstunde lang. Die„Allgemeine Zeitung“ würdigte dies tags darauf allerdings mit nur zwei Sätzen. Lediglich in der „Augspurgische Ordinari Postzeitung“ lassen sich etwas mehr Hintergründe dazu finden:
Demnach wollte der „Mechanikus Bittorf aus dem Würzburgischen“ schon am 14. Mai 1811 vor dem Roten Tor in dem Ballon starten. Dessen Papierhülle riss jedoch, weshalb er von dem Versuch absah und den Ballon stattdessen unbemannt steigen ließ.
Nach der erfolgreichen Luftfahrt im Mai schilderte die „Postzeitung“, dass „Madame Bittorf“ um 8.23 vor dem Roten Tor startete und nach Westen abtrieb, wo sie 17 Minuten später zwischen Neusäß und Täfertingen landete. Der Ballon bestand aus blau und weiß gewürfeltem Papier, war etwa 17.5 m hoch und 13.5 Meter breit. Mit Jubel wurde sie bei ihrem Aufstieg verabschiedet und bei ihrer Rückkehr begrüßt.
Von diesem Zeitpunkt an unternahmen Sebastian Bittorf und „Madame Bittorf“, die vermutlich nie seine Gattin, sondern Katharina Ullmann aus Galizien war, noch weitere Luftfahrten an unterschiedlichen Orten, obwohl die sogenannten „Montgolfieren“ wegen der Feuergefährlichkeit auch in deutschen Ländern verboten werden sollten. Letztendlich war dies auch die Todesursache Bittorfs, der bei seinem 30. Aufstieg am 27. Mai 1812 in Mannheim verstarb. Der Wind sorgte dafür, dass die Seilrolle eines Führungsmasts die Papierhülle aufriss, wodurch der Ballon anfing zu brennen und abstürzte.
Auguste Piccard
Der Schweizer Physiker Auguste Piccard ließ sich 1930 von der Ballonfabrik Riedinger einen 14000 m³ Ballon fertigen um damit in bislang unerreichte Höhen aufzusteigen. Nach zwei vom Wetter vereitelten Versuchen am 9. und am 14. September 1930 wurde der Start auf Mai 1931 verlegt. Am 27. Mai wurde mit der Teilfüllung des am Ende 30 Meter breiten prallrunden Ballons begonnen.
Um 3.57 Uhr hob der Ballon vom Betriebsgelände der Firma Riedinger ab und erreichte eine Höhe von 15781 Metern – ein Höhenrekord. Hier begannen Piccard und sein Assistent Kipfer mit Messungen und Experimenten. Sie maßen die Strahlung radioaktiver Substanzen sowie die kosmischen Strahlung. Bei dem Einleiten des Abstiegs durch das Öffnen eines Gasventils riss die beim Start verwickelte Leine, sodass der Ballon nicht mehr beeinflussbar war.
So befand sich der Ballon gegen 20 Uhr immer noch auf etwa 12000 Metern Höhe, durch die Abkühlung sank er jedoch rasch weiter ab und setzte nach 17-stündiger Fahrt auf einem Gletscher bei Gurgl im Ötztal auf. Bei der Rückkehr von Piccard und Kipfer nach Augsburg wurden sie schon erwartet. Die Ballonfahrt sorgte für die Bekanntheit von Auguste Piccard, der schon 1932 mit 16940 Metern einen neuen Höhenrekord aufstellt, den sein Bruder Jean zwei Jahre später mit 17500 Metern übertraf. Auguste selbst wandte sich hingegen der Tiefseeforschung zu.
Ballonherstellung in Augsburg – Ballonfabrik Augsburg
1890 ließ August Riedinger an der Ecke Heinrich-von-Buz-Straße/Ottostraße in Augsburg ein Museum für seine Kunstgewerbesammlung errichten. Diese verkaufte er jedoch schon vier Jahre später und widmete sich stattdessen dem Bau des ersten Drachenballons und des ersten halbstarren Luftschiffs Parseval zwischen 1894 und 1905. Er gründete am 1. April 1897 die „Ballonfabrik Riedinger“, die 1907 eine GmbH wurde und 1915 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.
Das Geschäft lief vor allem zwischen 1897 und 1918 sehr gut, so wurden beispielsweise 1909 38 Freiballone bestellt und bis 1913 rund 38 „Drachenballone“ gefertigt. Die Lieferung erfolgte in 18 Staaten. Auch für 64 große Luftschiffe wurden zwischen 1898 und 1916 Teile gefertigt. Unter anderem 1899 die Tragkörper für das erste Luftschiff von Graf Zeppelin und 1910 die Hülle für den „Luftkreuzer“ von Schütte-Lanz, der 130 Meter lang war.
Bei diesem Produktionsumfang musste 1908 eine neue Fertigungshalle gebaut werden. Sie war 75 Meter lang und zweistöckig. Vorgesehen war sie für das Fertigen von Ballonhüllen. Doch schon wenige Jahre später begann im ersten Weltkrieg die Umsiedlung der Fabrik an den Zusammenfluss von Wertach und Senkelbach. In diesen Zeiten hatte die Firma rund 800 Angestellte und fertigte neben Fesselballonen auch Flugzeugattrappen und ab 1917 auch Fallschirme.
Das ehemalige Werk in Augsburg wurde an die „L. A. Riedinger Maschinen- und Bronzewarenfabrik AG Augsburg“ verkauft und ging später in den Besitz von MAN über.
Nach dem Aufheben des im Versailler Vertrag festgelegten Produktionsverbots fing auch die Ballonfabrik in Augsburg nach dem Tod Riedingers unter der Leitung Johann Scherles wieder an Ballone zu fertigen. So auch unter anderem den Stratosphärenballon von Auguste Piccard.
Nach der Liquidierung der Aktiengesellschaft am 30. März 1932 wurde aus der AG ein Familienbetrieb, der von nun an den Namen „Ballonfabrik Augsburg, vorm. A. Riedinger, Augsburg“ trug und von Clemens Endras geführt wurde.
Nach der Zerstörung eines Großteils der Gebäude im Zweiten Weltkrieg wurden neben Frei- und Fesselballonen auch Speicher für Edelgase, Flüssigkeitsbehälter und Schlauchboote entwickelt. Mit dem Fortbestand änderte sich 1967 auch der Name: Die „Ballonfabrik Augsburg, See- und Luftausrüstung GmbH & Co. KG“ bot eine breite Palette an Produkten zur See- und Luftrettung, Rettungsinseln, Schlauchboote, Schleudersitz-Ausrüstungen, Schutz- und Druckanzüge, Luftkissen für den Bergbau, flexible Schüttgutbehälter, Lufthebesäcke und Traglufthallen an.
2008 erhielt die Traditionsfirma den bayrischen Gründerpreis „Nachfolge“. Im gleichen Jahr wechselte auch der Besitzer. Verkauft wurde an die nordirische Survitec Group. Diese schloss den Standort im Oktober weitestgehend und beendete somit die Ära der Ballonfabrik in Augsburg.
Ballonmuseum in Augsburg-Gersthofen
Das Ballonmuseum Gersthofen wurde im 1906 errichteten ehemaligen Wasserturm untergebracht. Mitte der 1980er Jahre vom weltweit anerkannten Ballonpiloten Alfred Eckert initiiert wuchs das Museum beständig, sodass es 2003 durch einen Neubau erweitert wurde. Neben der Ausstellung zur Ballonfahrt strebten Tausende von Besuchern auch zu kulturellen Veranstaltungen wie Lesungen, Theateraufführungen und Konzerten, für die das Museum neben exklusiven Privat- und Firmenveranstaltungen genutzt wird.
Der Standort des Museums im ältesten Gebäude Gersthofens ergab sich aus der glücklichen Fügung, dass Alfred Eckert auf der Suche nach einem Standort für ein Museum für seine außergewöhnliche Sammlung zum Thema Ballonfahrt war und gleichzeitig Hermann Meichelböck, der Stadtbaumeister von Gersthofen, den Wasserturm adäquat zu nutzen. Nach einer schnellen Einigung wurde das Museum nach nur einem Jahr Umbauzeit im Dezember 1985 eröffnet.
Im Zuge der Innenstadtentwicklung Gersthofens in den 80er Jahren sollte eine Ausstellungsfläche von 1000 Quadratmetern geschaffen werden. Das Nutzungskonzept Helmut Giebers sah vor, Museum und Bibliothek in einem Gebäude unterzubringen und so Personalkapazitäten bestmöglich zu nutzen. Die inhaltliche Gestaltung des Neubaus wurde von Dr. Astrid Pellengahr konzipiert und sollte sich gleichzeitig an Laien und Ballonfahrer wenden.
Im Museum werden unterschiedlichste Medien eingesetzt um nicht nur Kindern interaktiv das Thema Ballonfahrt näherzubringen. So verdeutlichen Hörspiele, Filme, begehbare Nachbauten und Funktionsmodelle die Inhalte. Präsentiert werden unter anderem historische Ballongondeln und Ballonkörbe in Originalgröße, Bilder und Dokumente, Instrumente, Landkarten, Zeitungsberichte, Fotografien und andere Kuriositäten. Als Zeugnis der regionalen Geschichte steht im Zentrum des Museums ein Nachbau des Ballons mit dem der Baron von Lütgendorf 1786 vergeblich versuchte in luftige Höhen aufzusteigen, weshalb er auch scherzhaft „Erdlieb“ genannt wurde.
Orte der Ballonfahrt in Augsburg (alphabetisch geordnet)
Ballonfabrik Riedinger an der Austraße
Neben der Ballonfertigung an sich spielte sich hier auch ein wichtiges historisches Ereignis der Ballonfahrt ab. Vom Betriebsgelände begann Auguste Piccard 1931 den ersten Stratosphärenflug.
Fronhof
Hier ließen die Gebrüder Bader am 19. Februar 1784 ihre „Luftkugel“ starten. Sie flog bis in die Nähe der Siebentisch-Schenke.
Gersthofen
Auch Gersthofen ist ein wichtiger Ort der Ballonfahrt. Unter anderem wollte der aus Augsburg verwiesene Baron von Lütgendorf hier weitere Flugversuche unternehmen. Seit 1907 war der Ballonstartplatz „Via Claudia“ über mehrere Jahrzehnte einer der meistfrequentierten für Gasballone. Grund hierfür war unter anderem, dass bei den Farbwerken Hoechst in Gersthofen Wasserstoffgas als Abfallprodukt anfiel, mit dem die Ballons betankt werden konnten. Neben zahlreichen anderen Wettbewerben wurde 1976 die erste Weltmeisterschaft für Gasballone in Gersthofen ausgetragen. Der Ort war ein Schauplatz wichtiger Pioniertaten wie der Weiterentwicklung des Gasballons zum Prallluftschiffs durch August von Parseval.
Vor dem Roten Tor
Am 5. Juni 1811 startete Madame Bittorf hier ihre 17-minütige Luftfahrt mit einem blau weiß gewürfelten Ballon von 17,5 Metern Höhe und 13,5 Meter Breite unter großem Jubel.
Siebentisch-Schenke
In der Nähe der Siebentisch-Schenke landete der von den Gebrüdern Bader gebaute Ballon und wurde von dem Besitzer gefunden und zurückgebracht.
Historie der Ballonfahrt
- Jahrhundert v. Chr.: Entdeckung des hydrostatischen Auftriebs durch Archimedes in Griechenland als Grundlage des Prinzips des Steigen eine Heißluftballons.
1513: Von Leonardo da Vinci mit heißer Luft gefüllte Heiligenfiguren aus Leinwand oder Papier werden zu Ehren des neugekrönten Papstes Leo X. steigen gelassen.
1654: Demonstration des Luftdrucks durch den Versuch Otto von Guerickes mit den Magdeburger Halbkugeln.
1670: Entwurf eines Fluggeräts durch den Jesuitenpater Francesco Lana de Terzi auf Grundlage der Erkenntnisse über künstlich erzeugtes Vakuum durch Otto von Guericke.
1709: Vermutlich führte Bartolomeu Lourenco de Gusmaoinin diesem Jahr den ersten erfolgreichen Flugversuch am portugiesischen Königshof in Lissabon durch.
1766: Henry Cavendish entdeckt in England das Wasserstoffgas.
- Juni 1783: Erster öffentlicher Aufstieg eines mit heißer Luft gefüllten, 900 Kubikmeter großen Ballons in Annonay bei Lyon durch die Brüder Joseph-Michel und Jacques-Étienne Montgolfier.
- August 1783: Der erste mit Wasserstoffgas gefüllte Ballon wird vom Konstrukteur Professor Jacques Alexandre César Charles vom Marsfeld in Paris steigen gelassen.
- September 1783: Die Montgolfiere „Martial“ steigt mit Hammel, Hahn und Ente in die Luft.
- November 1783: An dem ersten bemannten Flugversuch nehmen … in einer Montgolfiere teil.
- Dezember 1783: Professor Charles steigt als erster Mensch zusammen mit seinem Mechaniker Nicolas Robert im neu erfundenen Gasballon auf.
- März 1784: Der erste Berufsballonfahrer der Geschichte – Jean-Pierre Blanchard beginnt seinen ersten Aufstieg in Paris. Auf diese folgt eine Vorstellung des Aerostaten auf der ganzen Welt.
- Januar 1785: Zusammen mit dem amerikanischen Arzt Dr. John Jeffries überquert Jean – Pierre Blanchard den Kanal von Dover nach Calais.
- Oktober 1785: Erster Aufstieg auf deutschem Boden des Franzosen Blanchard in Frankfurt.
- August 1786 Maximillian Freiherr von Lütgendorf unternimmt als erster Deutscher erfolglose Versuche der bemannten Luftfahrt in Augsburg und Gersthofen.
- Januar 1793: Jean-Pierre Blanchard unternimmt nun auch den ersten Flug in der Neuen Welt – vor den Augen von George Washington in Philadelphia.
- Oktober: Erster Absprung eines Menschen mit Fallschirm aus dem Ballonkorb durch André Jacques Garnerin.
- September 1805: Als erster Deutscher steigt der Mathematiklehrer Friedrich Wilhelm Jungius mit einem Ballon auf.
- April 1897: Gründung der Ballonfabrik August Riedlinger in Augsburg.
1901: In Deutschland wird der vierte Ballonsportverein in Augsburg gegründet. Aktiv waren diese schon in Berlin, München und Straßburg.
1905: Der bis heute bedeutendste Wettbewerb für Gasballone, die internationale Gordon-Bennett Wettfahrt in Paris, wird zum ersten Mal ausgetragen.
- Mai 1931: Professor Auguste Piccard fliegt zum ersten Mal zur Stratosphäre.
Ab 1985: Der moderne Heißluftballon wird entwickelt.
1976: Austragung der ersten Weltmeisterschaft für Gasballone von Gersthofen aus (Startplatz: „Via Claudia“)
Dezember 1986: Im alten Wasserturm Gersthofens wird das Ballonmuseum eröffnet.
Mai 2003: Der Museums-Erweiterungsbau wird eröffnet.
Pioniere der Ballonfahrt
Joseph-Michel Montgolfier (1740-1810) und Jacques-Étienne Montgolfier (1745-1799)
Die Gebrüder Montgolfier trugen sich am 4. Juni 1783 als erste in die Geschichtsbücher der Luftfahrt ein. Ihnen gelang es in Annonay bei Lyon einen mit heißer Luft gefüllten Ballon aus Papier und Leinwand aufsteigen zu lassen. Die Brüder stammten aus einer Papierfabrikantenfamilie und versuchten mit dem Studium der Mathematik und Physik ihrem Traum vom Fliegen näher zu kommen. Obwohl sie dem Irrtum erlagen, dass bei der Verbrennung von Stroh und Wolle ein neues Gas entstand, was ihre Flugmaschine zum Abheben brachte, und nicht lediglich heiße Luft dafür verantwortlich war, erlangten sie mit ihrem Versuch große Bekanntheit.
So demonstrierten sie am 19. September 1783 eine größere Montgolfiere in Versailles vor König Ludwig XVI. Und seiner Familie. Mit an Bord waren die ersten Passagiere – ein Hammel, ein Hahn und eine Ente. Schon zwei Monate später lieferten die Brüder am 21. November 1783 mit dem ersten bemannten Start eines Heißluftballons dem König einen Grund, sie in den Adelsstand zu erheben. Joseph Montgolfier entwickelte weitere, punkvolle Montgolfieren, so auch den Riesenballon „Le Fesseles“, der 42 Meter hoch war und 10000 Kubikmeter Rauminhalt hatte.
Jacques Alexandre César Charles (1746-1823)
Um die Ehre der Pariser Wissenschaftler nach dem Bekanntwerden des Aufstiegs des ersten Heißluftballons durch die Brüder Montgolfier wiederherzustellen, entwickelte der Physikprofessor der Sorbonne Jacques Alexandre César Charles in nur drei Monaten ein Modell des Gasballons. Dieser wurde mit Wasserstoffgas betrieben und ist Grundlage für die heutigen Gasballone.
Am 27. August 1783 startete die erste unbemannte „Charliere“ vom Marsfeld in Paris aus und überquerte in 50 Minuten 22 Kilometer, um dann in Gonesse zu landen. Den ersten bemannten Start führte der Professor mit seinem Mechaniker Nicolas Robert am 1. Dezemeber 1783 in Tuilerien in Paris durch. Sie flogen 36 Kilometer bis nach Nesle, woraufhin Charles erneut aufstieg und eine Höhe von etwa 33oo Metern erreichte.
Jean- Francois Pilâtre de Rozier (1756-1785)
Der Franzose Rozier wurde als erster Luftfahrer bekannt. Zusammen mit dem Marquis François d’Arlandes stieg er am 21. November 1783 in der Montgolfiere „Le Révillon“ auf. Die Fahrt in dem 3000 Kubikmeter großen Ballon dauerte 25 Minuten, wobei sie vom Park des Schlosses „La Muette“ in Paris zur zehn Kilometer entfernten Mühle von Croule-Barbe flogen.
Zuvor waren einige Versuche mit Tieren und am Seil befestigten Ballons durchgeführt worden, um zu testen, ob der menschliche Organismus zum Ballonfahren geeignet ist. Erst dann gab der französische König die Erlaubnis zur Durchführung des ersten bemannten Flugs.
Doch Rozier machte sich nicht nur als Luftfahrer, sondern auch als Physiker verdient. So erfand er die so genannte „Roziere“ – einen Ballon der Vorteile von Gas – und Heißluftballon kombinieren sollte. Bei dem Versuch, den Ärmelkanal zu überqueren, entzündete sich das Wasserstoffgas jedoch und Roziere stürzte ab. Er war zugleich der erste Luftfahrer und das erste Todesopfer der Luftfahrt der Geschichte.
Jean-Pierre Blanchard (1753-1809) und Marie-Madeleine Sophie Blanchard (1778-1819)
Jean-Pierre Blanchard wurde als erster Berufsballonfahrer mit der Überquerung des Ärmelkanals 1785 zum berühmtesten Ballonfahrer seiner Zeit. Er verstand es mit der Sensation des Ballonfahrens Geld zu verdienen und bereiste zwischen 1785 und 1792 ganz Europa um Auftritte mit seinem Gasballon vorzuführen.
Mit seinem Tod 1809 war seine Frau, die ihn zuvor als Assistentin begleitet hatte, völlig mittellos. Sie führte jedoch das Geschäft fort und erlangte als ballonfahrende Frau einige Aufmerksamkeit, sodass Napoleon Bonaparte sie 1810 sogar zur „kaiserlichen Aeronautin“ ernannte, was ihr Auftritte zu offiziellen Anlässen und eine Beratungsfunktion Napoleons zu militärischen Nutzung des Ballons verschaffte.
Um die Sensation ihrer 67 Aufsteige zu vergrößern, entzündete Madame Blanchard ein Feuerwerk in dem Ballonkorb. Am 6. Juli 1819 wurde dies zu ihrem Verhängnis, denn der Ballon entzündete sich durch die Fackel zum Zünden des Feuerwerks und sie stürzte ab.
André Jacques Garnerin (1769-1823) und Jeanne Geneviève Garnerin (1775-1847)
Auch die Familie Garnerin machte die Ballonfahrt zu ihrem Beruf. Die Einzigartigkeit ihrer Auftritte wurde dadurch gewährleistet, dass sie den Aufstieg mit einem Fallschirmsprung beendeten.
André Jacques Garnerin lernte als Physikstudent das Ballonfahren durch seinen Professor Charles kennen. Er bildete seine zukünftige Frau aus, die als erste weibliche Ballonfahrerin 1798 einen Ballon selbst führte. Am 22. Oktober 1797 sprang Garnerin mit dem Fallschirm aus einer Höhe von 1000 Metern aus dem Ballonkorb ab, seine Frau folgte seinem Vorbild etwa zwei Jahre später am 12. Oktober 1799.
Das Ehepaar steckte auch die Adoptivtochter Blanche und Garnerins Nichten Eugénie und Elisa mit ihrer Begeisterung an. Elisa sprang nach zahlreichen Ballonfahrten mit ihrem Onkel schon als Zwölfjährige zum ersten Mal mit dem Fallschirm aus dem Ballon, während Blanche schon mit sieben Jahren gemeinsam mit ihren Eltern auftrat.
Félix Tournachon alias Nadar (1820-1910)
Nachdem Félix Tournachon als Journalist und Karikaturist in Paris bekannt geworden war, verband er die Luftfahrt und Fotografie und ließ sich 1858 die Luftbildfotografie und die damit verbundenen Geräte patentieren. Er ließ sich 1863 den Ballon „Le Géant“ bauen, der 45 Meter hoch war, einen Durchmesser von 26 Metern hatte und 4500 Kilogramm wog, sodass 6000 Kubikmeter Gas für die Flugfähigkeit notwendig waren. Dafür war die Ausstattung überaus komfortabel – neben Betten gab es auch ein Fotolabor an Bord.
Die Jungfernfahrt des Koloss fand am 4. Oktober 1863 statt und wurde ein riesiges Spektakel. Schon die zweite Fahrt endete beinah in einem Unglück – der Wind trieb den Ballon 17 Stunden lang bin in das Königreich Hannover, wo er unsanft landete. Der Luftfotograf schlug selbst daraus noch Profit und verkaufte die dramatischen Bilder und verfasste ein Buch zu seinen Fahrten.
Käthe Paulus (1868-1935)
Das zufällige Beobachten eines Fallschirmabsprungs des Berufsballonpiloten Hermann Lattemann als 19-Jährige faszinierte Katharina Paulus. So wurde sie Lattemanns Partnerin, wodurch sie einem der wage mutigsten Ballonartisten zu einer neuen Attraktion verhalf, und führte 1893 das erste Mal selbst einen Ballon.
Sie kümmerte sich als gelernte Schneiderin um die Ausrüstung und trat auch selbst auf. Bei einer gemeinsamen Fahrt am 17. Juni 1894 verunglückte ihr Partner tödlich, sodass sie als alleinerziehende Mutter fortan allein für den Unterhalt aufkommen musste. Sie führte das Geschäft weiter und sprang bei ihren 700 Ballonaufstiegen zwischen 1893 und 1914 mindestens 165-mal mit dem Fallschirm ab. Als neue Sensation führte sie sogenannte „Doppelabstürze“ ein, bei denen sie den ersten geöffneten Fallschirm abstreifte und ein zweites Mal im freien Fall flog, bis sie auch den zweiten Fallschirm öffnete.
Im Ersten Weltkrieg trug sie mit der Weiterentwicklung der Fallschirme entscheidend zur Rettung vieler Leben bei. So erfand sie beispielsweise den gepackten Fallschirm.